Friedhof mit Blick auf alte Grabsteine
Friedhof mit Hinweis auf alte Grabsteine
<Text aus „Am Brunnen vor dem Tore“, Nr. 217 (1997), Autor: Gottfried Reichert>
Symbole von Tod und Leben in Stein gehauen (1763)
Das Tor wurde 1763 (s. Jahreszahl auf der Innenseite) von Steinhauer Georg Wilhelm Ortner im Stil der Zeit geschaffen. Es gibt eindrucksvoll das barocke Empfinden für die große Spannung zwischen Todesfurcht und Lebenshoffnung wieder. Wer durch dieses Tor geht, den grüßt ein Totenschädel und die Mahnung MEMENTO MORI (eigentlich: Memento moriendum esse = Sei eingedenk, daß zu sterben ist!). Darüber erinnert eine Sanduhr an Zeit und Vergänglichkeit. Diese düsteren Symbole werden jedoch von einem Kreuz überragt, dem Symbol für Tod und Erlösung zugleich, wobei die Sonnenblumen auf den beiden Seitenarmen auf das Licht des ewigen Lebens hinweisen. Die enge Verknüpfung von Todes- und Lebenssymbolik wiederholt sich in den beiden Urnen rechts und links. Sie fassen die Asche, zu der wir werden, aber sie sind umschlungen von Kränzen, Zeichen der Ewigkeit.
Ummauerung des Friedhofs der Schweine wegen (1753/54)
Die Restaurierung des Tors mag Anlaß für einige Bemerkungen zur Geschichte des Neuenstadter Friedhof sein. Als das Tor 1763 aufgestellt wurde, war dies der Abschluß der Ummauerungsarbeiten, die in der Stiftungsrechnung 1753/54 erwähnt sind: "Weil nehmlich der allhiesige Kirchhof und die Gräber darin durch die Schweine sehr ruinirt und verwüstetworden, so wurde für nöthig erachtet, eine Mauer um denselben errichten zu lassen." Das Tor bildete den Haupteingang zum Friedhof, den man damals üblicherweise noch nicht über den "Pflasterweg" (heute Cleversulzbacher Straße), sondern über einen Weg vom Oberen Tor her (heute Mälzereiweg) erreichte.
Helmbunder Kirchhof für Neuenstadt und Cleversulzbach
Warum geschah diese Einfriedung so spät? Die Entstehungsgeschichte des Neuenstadter Friedhof gibt die Antwort darauf. Lange Zeit war auch nach der Aufgabe von Helmbund und der Übersiedlung zur NEUEN STADT der alte Kirchhof um die Helmbundkirche Begräbnisplatz für die Neuenstädter, denn um die zur Gemeindekirche umgebaute Schloßkapelle war kein Platz für einen Friedhof. Auch die Cleversulzbacher Toten wurden bei der Helmbundkirche beerdigt, selbst dann noch, als Cleversulzbach 1592 eigene Kirche und Pfarrer erhielt. Von Neuenstadt her brachte man die Toten über den "Pflasterweg" und die Dorfbrücke und vorbei an der Kleemeisterei zum Helmbunder Kirchhof. Und von Cleversulzbach ging der Weg über die Höhe, über den "Kirchweg", wie ein Flurname heute noch in Erinnerung ruft. Fast ein Jahrtausend lang mag es so gewesen sein, und wenn der Totengräber auf dem beengten Platz bei seiner Arbeit auf Knochen stieß, so legte er sie ins Beinhaus neben der Kirche.
Eigener Gottesacker für Cleversulzbach (1634)
Mitten im Dreißigjährigen Krieg -nach der Schlacht von Nördlingen 1634- wurde unsere Gegend von den Kriegswirren schlimm heimgesucht. Durchziehende Truppen und marodierendes Kriegsgesindel, vor allem aber die Pest wüteten unter der Bevölkerung. Allein 1634 starben in Cleversulzbach 42 Menschen. Da wurde der Weg zur Helmbundkirche zur Last. Gefährlich war er obendrein und so nahm man die Schenkung des Ehepaares Conrad und Barbara Kern dankbar an. Sie stifteten im Herbst 1634 ihren Garten als neuen Begräbnisplatz. (Siehe hierzu: "Am Brunnen vor dem Tore" Nr. 187 vom 27. April 1994: Helmut Braun: Der Totengarten von Cleversulzbach)
Neuer Begräbnisplatz in Neuenstadt (1636)
Schlimmer noch waren die Verhältnisse in Neuenstadt. Im Jahre 1635 starben 470 Personen, darunter 185 Schutzsuchende aus den umliegenden Ortschaften und Soldaten. Vielleicht war Cleversulzbach Vorbild, als der aus Kassel stammende Neuenstadter Gerichtsverwandte Otto Bauer (juris utriusque licentiatus) seinen Garten vor dem Oberen Tor für einen Begräbnisplatz stiftete, Grundstock für den heutigen Neuenstadter Friedhof. Er selbst wurde dort zwei Tage nach seinem Tod am 16. Oktober 1636 als erster beerdigt. Noch lange Zeit blieb jedoch Helmbund weiterhin Begräbnisstätte, vor allem für Adelsfamilien der Umgebung. Aber auch der letzte Totengräber und Pförtner in der "äußeren Pfarr", Hans Georg Ohr, ließ sich dort 1678 beerdigen. Möglicherweise wurde Ende des 18. Jahrhunderts, als während der Revolutionskriege im Neuenstadter Schloß ein Militärhospital eingrichtet war, auf dem Helmbunder Kirchhof zum letztenmal eine größere Zahl von Beerdigungen vorgenommen. (Siehe hierzu: Broschüre von Eugen Kress: "Helmbund", Neuenstadt 1996)
Aus einer kleinen Begräbnisstätte wird ein großer Friedhof
Die Stiftung Otto Bauers von 1636 wurde in der Folgezeit durch weitere Stiftungen erweitert. Wahrscheinlich waren diese Erweiterungen ein Grund dafür, daß der neue Friedhof lange Zeit nicht ordentlich eingefriedet wurde. Beim hundertjährigen Friedhofsjubiläum am 16. Sonntag nach Trinitatis 1736 ergriff Spezial (Dekan) Hochstetter die Gelegenheit, der Gemeinde nachdrücklich die Errichtung einer Friedhofsmauer zu empfehlen. Es dauerte dann aber fast noch zwanzig Jahre, bis der neue Friedhof 1753/54 ummauert wurde und dann endlich 1763 ein schönes Eingangstor erhielt.
Letzte größere Erweiterung (1877/80)
Der Weg von diesem Tor zur Nordseite des Schafstalls war bis zu dieser Zeit die Nordgrenze des Friedhofs. Erst nach weiteren Zukäufen und Stiftungen konnte der Friedhof nach Norden wesentlich erweitert werden. In die Mauer, die den neuen Teil gegen die Cleversulzbacher Straße ("Pflasterweg") schützt, fügte man ein neues Hauptportal ein, auf dem die Friedhofsgeschichte dokumentiert ist: "Erweitert 1880". Da der Friedhof auch nach Westen hin erweitert wurde, versetzte man das alte Eingangstor von 1763 entsprechend der neuen Grenze. Diese markierte man mit einer niedrigen Mauer, auf die ein eiserner Gitterzaun gesetzt wurde. Ziffern in den Gittertüren im alten Barocktor erinnern bis heute an das Baujahr 1877.
Rückschau und Ausblick
Der Friedhof erhielt seit 1877/80 nur noch mit der Errichtung der Friedhofkapelle 1959 eine wesentliche Veränderung als Folge neuer Vorschriften zum Bestattungswesen. Die meisten anderen Neuerungen geschahen im Verlauf von Jahrzehnten eher unmerklich: das Verdrängen der schlichten Holzkreuze durch Grabsteine; überhaupt eine Grabpflege, wie sie vor hundert Jahren nur ganz wenigen Grabstätten zuteil wurde; asphaltierte Hauptwege; mehr Urnengräber, mächtig herangewachsene Bäume.
Die bauliche Entwicklung in Neuenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg hat dazu geführt, daß der Neuenstadter Friedhof -1636 vor den Toren der Stadt gegründet- heute zum geographischen Mittelpunkt der Stadt geworden ist. Erweiterungsmöglichkeiten nach Westen und vor allem nach Süden stellen sicher, daß dieser Ort der Besinnung auch in Zukunft und noch lange Zeit letzte Ruhestätte der Neuenstädter sein kann.